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Erstellt am: 17.03.2011

Brasov in Rumänien - auf der Suche nach Bucsi

Der zottelige Hund ist mittelgroß, schwarzgrau und ängstlich. Scheinbar ziellos streunt er den belebten Bürgersteig entlang. Niemand achtet auf das Tier. Am wenigsten die Autofahrer im dichten Feierabendverkehr. Als er auf die Fahrbahn springt, quietschen Reifen. Mir stockt der Atem, ich warte auf das Geräusch des Aufpralls. Der Fahrer einer Limousine hupt wütend, während der Schwarz-graue auf der gegenüber liegenden Straßenseite zwischen den Beinen der teilnahmslosen Passanten verschwindet.

Ich bin in Brasov, einer der größten Städte in Rumänien. Das ehemalige Kronstadt ist berühmt wegen seiner Braunbären, die dort so selbstverständlich in der Stadt unterwegs sind, wie die Waschbären in Kassel. Doch das ist nicht der Grund, der mich nach Brasov führt. Ich interessiere mich viel mehr für das Schicksal eines Mannes, der zur Symbolfigur für das Leid der rumänischen Straßenhunde geworden ist. Begleitet von einem Filmteam bin ich von Hamburg nach Bukarest gereist, um der Geschichte von Adrian Priscu nachzuspüren. Dem Mann, der sein Leben verliert, weil er das Leben eines Straßenhundes retten will.

Es ist ein schwüler Sommerabend. Der Security Mitarbeiter sitzt mit seiner Frau vor dem Fernsehgerät. Adrian Priscu ist ein stattlicher Mann, über 1.90 m groß und 130 Kilo schwer. Neben ihm auf dem Sofa haben es sich seine Katzen und eine kleine Pekinesenhündin gemütlich gemacht. Alles ist wie immer, als er von draußen ein schmerzvolles Jaulen hört. Er geht zum Fenster. Auf der Straße vor dem Haus spielt sich eine eigentlich alltägliche Szene ab. Ein Nachbar von Adrian schlägt brutal auf einen Hund ein, der sich auf dem Boden krümmt. Immer heftiger drischt der stark alkoholisierte Mann auf sein wehrloses Opfer ein. Adrian Priscu kennt den Hund, es ist einer der vielen Straßenhunde des Viertels. Ab und an steckt er dem zotteligen, schwarz-grauen Kerl etwas zu fressen zu. Die Tierfreunde im Viertel nennen den Streuner Busci.
Adrian Priscu versucht den Schläger verbal zu stoppen, doch der lässt nicht von seinem Opfer ab. Als er dem Hund zu Hilfe eilt, eskaliert die Situation. Der betrunkene Nachbar zerschlägt eine Flasche auf Adrians Kopf stößt sie ihm bis zum Schaft in die Brust. Wenige Minuten später verblutet er in den Armen seiner Frau. Die Ambulanz bringt den leblosen Mann noch ins Krankenhaus, doch jede Hilfe kommt zu spät. Die geschockte Ehefrau bleibt allein auf der Straße zurück. Da schiebt sich eine Hundeschnauze unter ihre Arme und leckt ihr das Gesicht. Bucsi ist zurückgekommen und kauert sich neben sie auf den Gehweg. Der Täter wird verhaftet und nach gerade mal 4 Wochen Haft von den Rumänischen Behörden wieder auf freien Fuß gesetzt.

Als ich Adrian Priscu Witwe interviewe, habe ich einen Kloß im Hals. Wie kann man einen Menschen trösten, der innerhalb von 10 Minuten ein Leben verloren hat? Allein, mittellos und praktisch ohne Chance die Schulden für die kleine Eigentumswohnung abtragen zu können ist Teodora zurückgeblieben. Dazu kommen die Kosten für die Beerdigung, die sie aus eigener Kraft nicht bezahlen kann. Die einzige Unterstützung, auf die sie in dieser schweren Zeit zählen kann, sind ihre Mutter und der Tierschutz. Petra Zipp vom bmt und Christina Lapis, die das Tierheim in Brasov ins Leben gerufen hat, stehen ihr zur Seite. Als ich in ihrem Wohnzimmer Platz nehme, setzt sich sofort die kleine Pekinesenhündin auf meinen Schoß. Sie war Adrians Liebling. Wir reden fast eine Stunde lang. Ich bin sehr beeindruckt, denn ich lerne Teodora als eine Frau kennen, die ihr Schicksal mit bewundernswerter Tapferkeit annimmt. Zwei Dinge bestimmen jetzt ihr Leben - sie will Gerechtigkeit für ihren Mann und hofft auf ein gutes Zuhause für Bucsi. Seit jenem verhängnisvollen Sommerabend ist der Hund spurlos verschwunden.

Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Alleine in dieser rumänischen Großstadt streunen hunderte von herrenlosen Hunden auf der Suche nach Nahrung durch die zahllosen Straßenschluchten. Zusammen mit dem Filmteam will ich dem Schicksal dieser Tiere nachspüren.

Schon auf der Fahrt vom Flughafen Bukarest nach Brasov sind sie mir aufgefallen. Nachdem wir viele Kilometer durch eine landwirtschaftlich geprägte flache Ebene fahren, führt uns die holprige Straße durch die Ausläufer der Karpaten. Überall in den Dörfern sind Hunde unterwegs. Die kräftigen, gut genährten haben einen Besitzer. Die Straßenhunde dagegen sind verwahrlost und auffällig mager. Überall in diesen wundervollen Urwäldern gibt es Rastplätze für den Durchgangsverkehr. Jeder für sich ist ein Lebensraum für kleine Gruppen von Parkplatzhunden. Diese „Vogelfreien“ gehen ein hohes Risiko ein. Nicht nur der Autoverkehr ist lebensgefährlich. Die Todesschwadronen der Hundefänger stellen den Hunden erbarmungslos nach. Pro Hund wird eine Kopfprämie gezahlt. Für die Häscher hat sich das Töten zu einem äußerst lukrativen Geschäft entwickelt. Täglich fallen ihnen auch Hunde zum Opfer, die einen Besitzer haben. Wie mir Einheimische erzählen, hat sich besonders eine Amtstierärztin aus der Region auf das Einfangen dieser Hunde spezialisiert- mittlerweile haben tausende von Hunden aus der Region die Gier dieser Frau mit dem Leben bezahlt. Bei dem Gedanken läuft mir eine Gänsehaut den Rücken hinunter.

Die Suche nach Bucsi macht nur im Stadtgebiet von Brasov wirklich Sinn. Und so führt
uns der erste Weg ins Tierheim der Karpatenstadt. Bevor der bmt die Arbeit von Christina Lapis unterstützt hat, waren hier in den schlimmsten Zeiten mehr als 1200 Hunde untergebracht. Im Moment sind es rund 500 Tiere. Ich bin beeindruckt davon, wie liebevoll die Mitarbeiter sich um die Hunde kümmern. Das Tierheim und die Anlagen sind für die herrschenden Verhältnisse sehr gepflegt und die Quarantäne und der Tierarztbereich machen einen sehr guten Eindruck. Ein Hund, der ins Tierheim Brasov kommt, kann sich glücklich schätzen. Er ist in Sicherheit. Was ich hier zu sehen bekomme, zeigt mir das andere Gesicht von Rumänien. Wenn es hier solche Menschen gibt, gibt es doch ein Fünkchen Hoffnung für die Hunde. Doch unserer Hoffnung bewahrheitet sich nicht. Bucsi gehört nicht zu diesen Glücklichen, unsere Suche bleibt ergebnislos.

Die nächste Etappe unserer Suche führt mich ins düsterste Kapitel der Geschichte der rumänischen Straßenhunde. Mit dem Filmteam fahren wir in die Anlage des städtischen Hundefängers. Seit diesem Tag weiß, ich wie die Hölle für Hunde aussieht. In den Jahren meiner Tätigkeit im Tierschutz habe ich einiges gesehen, was man lieber nicht sehen möchte. Spanien, Slowakei, Polen, Ungarn, etc. - doch was ich hier zu sehen bekomme ist eine neue Dimension des Horrors. Wir planen wenigstens einige der Hunde hier rauszuholen, dazu müssen wir uns mit dem Leiter der „ehemaligen“ Tötungsstation einigen. Einem Mann, der im Laufe seiner bisherigen „Karriere“ grob geschätzt mehr als 30.000 Hunde umgebracht hat.

Die Hunde werden hier eine Woche aufbewahrt. Für diese kurze Zeitspanne stellt die Stadt eigentlich Hundefutter zur Verfügung - doch das Futter wird unter der Hand weiterverkauft. Seit die Tötung gestoppt ist, erschlägt man die Hunde nach der Woche nicht mehr. Man ist zu einer anderen, genauso effizienten Methode übergegangen. Es wird überhaupt nicht mehr gefüttert. Die Hunde beißen sich gegenseitig tot, die Überlebenden ernähren sich von den Kadavern. Was ich hier gesehen habe, wird mich wahrscheinlich nie wieder loslassen.

Wir holen so viele Hunde wie möglich raus um sie ins Tierheim nach Brasov zu bringen. Darunter allein vier trächtige Hündinnen, die direkt vor der Niederkunft stehen. Ich muss mehrfach meine Moderation vor der Kamera unterbrechen, weil ich die Tränen nicht zurückhalten kann. Bucsi finden wir auch hier nicht, Gott sei Dank!

Als wir die Hundehölle verlassen, kommt der lang ersehnte Anruf. Ein Hund der Bucsi ähnelt ist aufgegriffen und ins Tierheim gebracht worden. Als wir mit den Hunden aus der Tötung dort ankommen, ist er es tatsächlich. Nach einer Quarantänezeit ist Bucsi zu mir ins Franziskus Tierheim nach Hamburg gebracht worden und ich habe ein tolles Zuhause für ihn gefunden.

So hat der Tod von Adrian Priscu wenigstens für Bucsi einen Sinn gehabt. Und setzt ein Zeichen gegen das Leiden der vogelfreien Hunde auf den Straßen in Europa. Adrian Priscus Tod hat der Leidensgeschichte der Straßenhunde ein menschliches Gesicht gegeben.




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